Wetterphänomene auf Juist.
Der Flugplatz auf Juist.
Neblige Aussichten am Juister Flugplatz.
Kurze Info vorm Anfang
Der Flugplatzverkehr seitens der FLN – Die Inselflieger wird mit Ende Februar 2025 enden. Ab März 2025 wird die FLN damit die Strecke Norden – Juist und Juist – Norden nicht mehr bedienen.
Dieser Artikel ist im Dezember 2024 entstanden, wenngleich er im Februar 2025 erscheint.
Stefan und ich haben auch über das Thema Flugplatz und dessen Anbindung gesprochen, jedoch habe ich diese Informationen nicht in diesem Artikel verarbeitet, weil ich mich auf den Nebel und das Wetter fokussieren wollte.
Von daher: Lies diesen Artikel bitte mit dem entsprechenden Hintergrundwissen, dass die FLN ab März 2025 nicht mehr nach Juist fliegen wird.
Je mehr er versteht, desto klarer wird ihm, warum das Wetter so ist, wie es ist. Und dennoch ist das „System Juist“ mit dem Watt (trocken, ablaufend, auflaufend, voll) wie eine Spielwiese für Wetterphänomene, denn die Art, wie Wärme von einer Oberfläche abgestrahlt wird – und damit die Einwirkungen aufs Wasser – unterscheiden sich je nach Tide.
Es ist windig, als ich zum Flugplatz fahre. Und diesig. Nicht neblig, aber die Sicht ist trotzdem nicht gut. Der Wind sorgt dafür, dass ich eher leicht schief, als gerade fahre. Mir fällt auf was für einen Einfluss der Wind auf mich hat, wenn ich den Ort verlasse.
Und mir fällt auf, wie weit der Flugplatz entfernt ist. Das kommt mir sicher nur so vor, weil ich es gewöhnt bin, dass alles auf Juist so nah beieinander ist. Trotzdem. Dabei hat mein Fahrrad sogar einen elektrischen Antrieb.
Warum ich zum Flugplatz fahre? Weil ich heute mit Stefan spreche – über Wetter und Nebel und seinen Job. Stefan arbeitet im Tower auf dem Juister Flugplatz und mir kommt es so vor, als sei er der Herrscher über die Luft über Juist. Stimmt nicht, stellt sich heraus, aber der Eindruck bei mir bleibt trotzdem ein bisschen hängen.
Stefan hat mir bei unserem Telefonat vor dem Termin beschrieben, wie ich in den Tower komme. Und diesen Anweisungen folge ich. Trotzdem fühlt sich das ein wenig verboten an, finde ich. Aber ich komme gut an. Ich steige die Stufen hoch und werde halb geblendet vom Licht. Es ist ein diesiger Tag, wie ich ja schon vorhin schrieb, und dennoch ist es hier oben recht hell. Richtig toll. Stefan begrüßt mich und mir fällt sofort auf, dass er sehr formell gekleidet ist – eher ungewöhnlich für Juist. Danach frage ich ihn später.



Arbeiten am Flugplatz auf Juist.
Stefan Elnrieder ist 59 Jahre alt – noch zum Zeitpunkt unseres Gespräches, wie er betont. Ich kenne ihn über seine Frau, die ich wiederum über die Arbeit kenne. Juist halt. Er ist gelernter Physiklaborant und hat in Ludwigshafen bei BASF gearbeitet. Nach Juist kam er, weil seine Frau zurück auf die Insel wollte, denn ihre Wurzeln liegen hier auf diesem Eiland. Mit seiner Ausbildung ist es natürlich schwer, einen Job auf Juist zu finden, der passt. Als passionierter Modellflugzeugbauer kam er über Connections an den Job auf dem Tower, nachdem er seinen Pilotenschein gemacht hatte – mit viel gutem Willen seines damaligen Arbeitgebers. Seit 2001 macht er diesen Job.
„Macht dir dein Job Spaß?“, frage ich ihn. Eigentlich kann ich mir die Frage sparen, denn in jedem Wort, das er spricht, und jedem bisschen Kontext, das er mir an diesem Vormittag quasi auf dem Silbertablett serviert, höre ich seine Leidenschaft und sein Wissen heraus. „Ja, das macht mir schon Spaß“, antwortet er auf meine Frage.
Der Flugplatz auf Juist.
Fangen wir mal mit den Basics an:
Der Juister Flugplatz befindet sich ca. 4 km vom Hauptort entfernt an der Ostspitze der Insel, in der Nähe des Kalfamer. Im Linienverkehr wird der Juister Flugplatz nur von den Inselfliegern FLN ab Norden angeflogen. Früher war hier ständig und gefühlt immer Verkehr, aber mit der Einführung der Schnellschiffe hat die Frequenz abgenommen. Auch Privatflieger dürfen hier gerne landen. Meist sind es deutsche oder niederländische Maschinen.
Tatsächlich war der Juister Flugplatz bis vor Kurzem einer der meist angeflogenen Plätze im ganzen Bundesland Niedersachsen. Und das auf dem kleinen Juist!
Ein wenig kurios ist es, wenn man sich anschaut, wer den Flugplatz Juist betreibt: Die Jugendbildungsstätte Theodor Wuppermann e.V. hat eine eigene GmbH gegründet – „Verkehrslandeplatz Juist Betriebs GmbH“. Ein Verein, der über eine GmbH den Flugplatz betreibt. Es gibt nichts, das es auf Juist nicht gibt. Wobei der Flugplatz selbst der Gemeinde Juist gehört.

- Quelle: DFS Deutsche Flugsicherung GmbH (Quelle: https://aip.dfs.de/BasicVFR/2024NOV14/pages/EEECCB5FC89C228998BC60B5AB83015A.html)
Das ist die Anflugkarte. Darauf verzeichnet sind die Startbahnen des Flugplatzes auf Juist. Aber, als ich zu Besuch bin, ist nur die Piste 07 / 25 in Betrieb. Der Rest ist in Winterpause sozusagen. Die Anflugkarte ist quasi die Wegbeschreibung für Pilot*innen. Die „Platzrunde“ ist ein standardisiertes Verfahren, einen Flugplatz anzufliegen; jede*r kann die eigene Position und auch das Verhalten der anderen Teilnehmer gut einschätzen, so dass mehrere Flugzeuge zeitnah und geordnet einen Flugplatz benutzen können – ohne Fluglotsen, die das regeln.
Stefan deutet aus den Fenster des Towers nach unten. Auf Juist gibt es momentan eine Piste mit zwei Richtungen – 07 grob in östliche Richtung (der Name kommt übrigens, weil die Piste 07 weil grob entlang Kompassrichtung 70 ° geht), die andere Piste entsprechend um 180 ° versetzt ist die Piste 25 (zwo-fünf), die grob in Richtung Westen geht. Weitere Pisten gibt’s im Sommer. Die sind derzeit aber nicht ausgesteckt im Rasen. Auf dem Anflugplan aber kann man sie erkennen. Momentan ist Piste 25 in Betrieb. Das heißt, dort sollte man landen. Wenn der Pilot aber sagt, man könne zum Beispiel gegen die Sonne nicht schauen, darf er auch anders landen. Finde ich interessant, denn ich hätte gedacht, dass es klare Ansagen gibt, denen Folge zu leisten wäre.



Alltag im Tower auf Juist.
Ich habe keine Ahnung, was den ganzen Tag auf dem Tower so zu tun ist. Was ist der Arbeitsablauf?
Zuerst lässt Stefan mich als Nicht-Kennerin wissen, dass er kein Fluglotse ist. Ich fühle mich ertappt, denn genau das hatte ich in meiner nicht mehr wirklich jugendlichen Naivität angenommen. Denn das kenne ich: Große Flughäfen mit Fluglotsen, die steuern, welches Flugzeug wann landet und wann startet.
Ich stelle mir vor, dass er den ganzen Tag aus dem Fenster schaut und guckt, ob ein Flugzeug landen kann. Als ich das sage, lacht er mich nicht aus. Sondern stimmt zu. „Damit geht’s los“, sagt er.
Stefan erklärt mir, dass man auf Sicht fliegt hier. Genauer gesagt: Sichtflug im Luftraum Golf, das ist der am niedrigsten klassifizierte Luftraum. Ein bisschen ist das so wie rechts vor links im Straßenverkehr, weil es ja in der Luft keine Ampeln gibt. Also muss man sich gegenseitig sehen. Luftraum Golf bedeutet kurzgesagt, dass es unkontrolliert ist. Stefan informiert, welche Piste in Betrieb ist. Wo und wie und wann sie landen, das entscheiden aber die Pilot*innen selbst.
Einen großen Teil seiner Arbeitszeit verbringt er aber tatsächlich damit, aus dem Fenster zu schauen. Er hält Ausschau. Wenn er ein anderes Flugzeug sieht, gibt er die Info weiter, dass man gegenseitig aufeinander aufpassen muss. Aber er übernimmt keine Gewähr dafür.
Mir fällt auf, dass Stefan ziemlich formelle Kleidung trägt, zumindest für Juister Verhältnisse: Anzughose, Hemd, darüber einen ordentlichen Pullover. Er lacht. So schick sei er nicht immer, aber für ihn gehören auch Aufgaben zum Job, die eine gewisse Formalität erfordern. Er ist als Beauftragter der Luftfahrtbehörde in Oldenburg quasi deren verlängerter Arm. Er führt stichpunktartige Kontrollen durch und kontrolliert Pilotenscheine.
Auch kassiert er je nach Gewicht und Lautheit des Flugzeugs Landegebühren (ab ca. 12,50 €) und Abstellgebühren (ab ca. 5 €). Direkt morgens kontrolliert er das Feuerwehr-Auto und die Landebahn. Ob alles seine Ordnung hat. Was ich nicht gedacht hätte, was Stefan auch tut, ist, dass er ein Hauptflugbuch führt, in dem er vermerkt, wer wann wohin mit wie vielen Menschen unterwegs ist. Sowohl für die Statistik, als auch für den Fall der Fälle, falls was passiert.
Im Winter, sagt er, ist sein Job viel Warterei. Dann bildet er sich mit Videos weiter. Im Sommer ist die Frequenz dann merklich höher. Das mag er aber auch, sagt er, den Wechsel zwischen den Saisons.



Der Einfluss des Wetters am Flugplatz auf Juist.
Es ist eine Gleichung mit sehr vielen Unbekannten. Und je mehr man davon versteht, desto mehr kommen dazu. Ich komme der Lösung nicht näher, sondern mir wird immer klarer, wie unlösbar das Problem ist, das Wetter vorhersagen zu wollen.
Ein Teil von Stefans Job besteht darin, das Wetter zu beobachten. Stefan erfasst das tägliche Wetter und kontrolliert die Sicht. Das interessiert mich natürlich besonders, schließlich soll es darum in hier gehen.
Fliegen auf Sicht – Das hatte Stefan mir schon zu Beginn unseres Gesprächs erklärt. Er hat aus seinem Tower Sichtmarken, die er erkennen können muss, damit man fliegen kann. Was er kontrollieren kann, ist, wie weit man schauen kann. Ich denke da immer an Nebel, aber am Tag, an dem wir miteinander sprechen, ist es nicht neblig, sondern diesig.
Mich interessiert vor allem, wie er die Sicht misst. „Auf Sicht“, ist die Antwort, denn auf Juist gibt es keine objektive Messung dafür. Er checkt die Entfernungsmarker, die er kennt. Zum Beispiel die Entfernung zur Wilhelmshöhe in 1,8 km Entfernung oder die Ostbake in 1 km Entfernung. Einzuhalten ist eine Sichtweite von 1,5 km in Flugrichtung UND, da die Flieger in 500 Fuß (also 150 Meter) Sicherheitsflughöhe fliegen, müssen sie den Boden noch sehen können.
Der Juister Landeplatz ist öffentlich, daher kann der Platz nicht einfach geschlossen werden. Einen Privatplatz könnte man wegen Nebel oder fehlender Sicht schließen, den Juister Flugplatz aber nicht. Der Platz bleibt also auch bei schlechtem Wetter geöffnet, ist aber nicht landebar wegen zu schlechtem Wetter – Stefan wird angefunkt und gibt die Infos weiter. Dennoch muss er vor Ort bleiben, um Fragen zu beantworten. Er macht keine Voraussagen, wann das Wetter wieder gut genug zum Fliegen sei. Das hat er gelernt, sagt er mir. Und das kann ich nachvollziehen, denn ich wäre die erste, die fragen würde, wann man denn wieder landen könne.
Es ist nicht selten, sagt Stefan, dass es drei verschiedene Wetter zwischen hier und Norderney gäbe. Das checke ich nicht. Ich denke da nämlich an das Wetter in meiner Wetterapp, die auf Juist gefühlt nie richtig ist. Das Wasser zwischen den Inseln hat einen riesigen Einfluss, erklärt Stefan, vor allem die Temperatur des Wassers und die Feuchtigkeit der Luft. Aber auch das Watt ist wichtig mit seinen Einflüssen.
„Hast du schon so etwas wie eine Wetterfühligkeit entwickelt?“, will ich wissen. Die Antwort ist ganz klar. „Nein“. Aber: Er hat Demut entwickelt. Er gibt keine Prognosen mehr ab, denn er hat vom Wetter her schon so ziemlich alles gesehen, was geht hier auf der Insel. Je mehr er versteht, desto klarer wird ihm, warum das Wetter so ist, wie es ist. Und dennoch ist das „System Juist“ mit dem Watt (trocken, ablaufend, auflaufend, voll) wie eine Spielwiese für Wetterphänomene, denn die Art, wie Wärme von einer Oberfläche abgestrahlt wird – und damit die Einwirkungen aufs Wasser – unterscheiden sich je nach Tide. Faszinierend!
„Es ist eine Gleichung mit sehr vielen Unbekannten. Und je mehr man davon versteht, desto mehr kommen dazu. Ich komme der Lösung nicht näher, sondern mir wird immer klarer, wie unlösbar das Problem ist, das Wetter vorhersagen zu wollen.“
Aber es gibt auch Tage, wo er weiß, dass es zunebeln wird. Ich denke mir: Sogar etwas so Technisches wie fliegen abhängig vom Wetter – krass.
Wenn ich Stefan so zu höre, scheint es mir, dass Wetter besonders am und auf dem Flugplatz besonders deutlich spürbar ist.



Faszination: Fliegen.
Stefan ist fasziniert von der Dynamik von Flugzeuge. Ich auch. Denn am Ende wird ein Flugzeug in der Luft gehalten durch Geschwindigkeit und die Luft.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt beantwortet die Frage, wie das Fliegen funktioniert, so:
Auf ein Flugzeug wirken im Prinzip vier physikalische Kräfte ein: Die Schwerkraft zieht es nach unten, der Auftrieb wirkt nach oben und hält das Flugzeug in der Luft. Der Vortrieb bewegt das Flugzeug vorwärts, der Widerstand bremst es. Erst wenn der Auftrieb größer als die Schwerkraft ist, hebt das Flugzeug ab.
Gemeinsam mit den Menschen an der Jugendbildungsstätte führt Stefan ein Projekt durch, bei dem sie Modellflugzeuge bauen. Jedes Mal ist er aufs Neue fasziniert davon, dass diese kleinen Objekte tatsächlich fliegen.



Wetterfühligkeit.
Und dann ist mein Gespräch mit Stefan auch schon vorbei. Als ich zurück ins Dorf radele, spuken ziemlich viele Gedanken in meinem Kopf herum. Vor allem aber achte ich besonders auf den Wind, der mit entgegenkommt. Von woher kommt er? Wie rum startet oder landet jetzt ein Flugzeug? Ich denke darüber nach, ob gerade Wasser im Watt ist und wie die Wärme dann also abgestrahlt wird.
Ich denke nicht, dass ich eine Wetterfühligkeit besitze. Aber die Faszination und fliegen und der Einfluss des Wetters auf das Fliegen haben es mir definitiv angetan!
Sier sollten mal im Wattenmeer segeln, dann könnte man Ihen viel mehr über Winde und Wetter erklären und warum es so wichtig ist, etwa vier Wochen vor Beginn eines Törns die Wetterkarte im Gehirn abzuspeichern, neben all den anderen Besonderheiten, die es im Watt so gibt.
Deshalb ist ein Flug-Navigator auf Yachten als Yachtnavogator nur bedingt einsetzbar und umgekehrt.
Gruß nach Juist