Gefunden!

Zeugnisse aus dem Meer

Willkommen zu einer faszinierenden Reise durch die Welt der Strandungen! Erlebe, wie die Natur und die Geschichte zusammenfinden und manchmal seltsame Geschichten an den Strand spülen.

Was sind Strandungen, Treibgut und Strandgut?

Wenn etwas strandet, also an Land “aufläuft”, kann das spannend, traurig oder nützlich sein. Beim Nachdenken darüber, wer und was alles stranden kann, kam ich auf zwei weiter Begriffe, die es in diesem Zusammenhang gibt: Treibgut und Strandgut.

All das strandet irgendwann an Küsten oder auf Inseln. 

Hier also der wissenschaftliche Blick auf Strandungen und darüber, welche Anlandungen mehr als nur eine Geschichte erzählen.

Strandungen: Trauriges und ungewolltes Anlanden von Meeresbewohnern

Was ist eine Strandung?

Eine Strandung bezeichnet das Ereignis, bei dem Meeresbewohner wie Wale, Delfine, Robben oder Meeresschildkröten unbeabsichtigt an Küsten oder Stränden angespült werden und nicht mehr aus eigener Kraft ins Wasser zurückkehren können. Dies kann verschiedene Ursachen haben, wie zum Beispiel Krankheiten, Verletzungen, Desorientierung durch Lärmverschmutzung im Wasser, starke Strömungen oder ungewöhnliche Wetterbedingungen.

Was ist Strandgut?

Das Meer ist groß und dennoch werden Dinge, die ins Wasser fallen, irgendwann an einem Ufer angespült. Diese nennt man Strandgut. Meistens ist es Müll wie Plastikflaschen oder Fischernetze, aber manchmal auch wertvolle Sachen, sogar Motorräder.

Strandgut ist das, was von der See angespült wird und am Strand gefunden wird, einschließlich der Überreste von Treibgut, aber auch natürliche Materialien wie Holz oder angeschwemmte Samen.

Was ist Treibgut?

Treibgut bezeichnet Materialien oder Gegenstände, die im Wasser treiben, nachdem sie unabsichtlich von Schiffen verloren gegangen sind oder durch andere Umstände ins Meer gelangt sind. Dies kann zum Beispiel durch Unfälle, Schiffsbrüche oder natürliche Ereignisse wie Stürme geschehen. Treibgut kann eine Vielzahl von Objekten umfassen, darunter Holzteile, Container, verlorene Ladung und andere schwimmfähige Materialien. Im Unterschied zu Strandgut, das an die Küste gespült wird, bleibt Treibgut typischerweise im Wasser.

Treibgut ist definiert als Trümmer im Wasser, die nicht absichtlich über Bord geworfen wurden, oft als Ergebnis eines Schiffbruchs oder Unfalls.

Jetzt wird’s spannend: Das Seerecht.

Treibgut und Strandgut sind Begriffe für spezifische Arten von Meeresmüll. Während der Ausdruck „Treibgut und Strandgut“ oft verwendet wird, um „Krimskrams“ zu beschreiben, hat jedes Wort unter Seerecht eine spezifische Bedeutung.

Wenn Treibgut an den Strand kommt, ist es Strandgut.

Treibgut und Strandgut beschreiben zwei Arten von Meeresmüll, die mit Schiffen in Verbindung stehen. Unter Seerecht ist diese Unterscheidung wichtig. Treibgut kann vom ursprünglichen Eigentümer beansprucht werden, während Strandgut als Eigentum dessen gelten kann, der es entdeckt. Wenn das Strandgut wertvoll ist, kann der Entdecker den Erlös aus dem Verkauf der geborgenen Objekte einnehmen.

Es schwimmt im Meer und geht nicht unter? Dann ist es Treibgut.

Alles, was im Meer schwimmt und nicht untergeht, wird als Treibgut bezeichnet. Die Definition ist simpel, die Realität komplex. Neben natürlichem Treibgut wie Holzstücken und Seegras finden sich immer häufiger von Menschen verursachte Gegenstände im Wasser: Plastikabfälle, die im Pazifik einen Wirbel bilden, der viermal so groß ist wie Deutschland, Trümmer von Schiffsunfällen, Müll, Flaschenpost ganze Container, die von großen Schiffen gefallen und verloren gegangen sind.

Es kommt ans Meer? Dann wird es Strandgut.

An den Küsten und auf unseren Inseln wird aus dem Treibgut Strandgut. Früher erlaubte das Strandrecht den Anwohnern am Meer, alles zu behalten, was an ihre Strände gespült wurde. Dieses Strandrecht führte zur Entwicklung der Strandpiraterie, was einige dazu veranlasste, Schiffe mit falschen Leuchtfeuern in die Irre zu führen, um ihr Einkommen zu verbessern. 

In den Niederlanden ist es heute noch erlaubt, angeschwemmte Gegenstände zu behalten. Das Öffnen von gestrandeten Containern ist aber auch da verboten. In Deutschland regelt seit 1990 das Bürgerliche Gesetzbuch das Fundrecht: Strandgut bleibt im Grundsatz Eigentum des ursprünglichen Besitzers.

Wer hier gefundene Gegenstände vom Strand mitnimmt, setzt sich der Gefahr aus, wegen Unterschlagung angezeigt zu werden. Laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist es nämlich erforderlich, Fundstücke, die einen Wert über zehn Euro haben, dem ursprünglichen Eigentümer oder einer entsprechenden Behörde zu melden.

Sonst begeht man Fundunterschlagung, nach § 246 I StGB (Strafgesetzbuch).

Ein spezialisierter Forschungsbereich widmet sich diesen Bewegungen des Treibguts, insbesondere seit dem 10. Januar 1992, als ein Frachtschiff im Sturm des Nordpazifiks fast 30.000 Plastiktiere verlor. Diese Tiere, bekannt als „Friendly Floatees“, treiben seitdem durch die Weltmeere.

Anfang 2019 verlor die „MSC Zoe” 342 Container, 42 davon versinken vor unserer Nachbarinsel Borkum. In den Containern Spielzeug, Kühlschränke, Fernseher, Schuhe und andere durchaus teure Waren. Diese dann einfach mitzunehmen, nachdem sie als Strandgut angespült wurden, wäre eine Straftat. So verlockend es auch ist: Nicht zu empfehlen!

5 Fakten, die du über Strandungen noch nicht wusstest

1. Strandungen als Vorboten

Walknochen-Bogen in Stanley auf den Falkland Inseln an der südlichsten anglikanischen Kathedrale der Welt.

Früher wurden Strandungen riesiger Meeressäuger oft als Vorzeichen gedeutet, die dramatische Ereignisse wie den Tod von Adeligen, Naturkatastrophen oder Kriege ankündigen könnten. Um solche Katastrophen abzuwenden, bewahrten die Menschen Teile dieser Tiere als heilige Reliquien in Kirchen und Schlössern auf. Wenn du Walrippen in Kirchen findest, die weit entfernt sind vom Meer, liegt es wohl am regen Handel der Herzöge an den Küsten.

2. Geschwommen und Gestrandet auf Cedar Island: Kühe

Drei Kühe, die von Cedar Island in North Carolina während des Hurrikans Dorian im Jahre 2019 ins Meer gespült wurden, überlebten, nachdem sie mehrere Kilometer geschwommen waren. Ursprünglich glaubte man, dass die Kühe den Vorfall nicht überstanden hätten, doch wurden sie später im Cape Lookout National Seashore Park auf den Outer Banks lebend gesichtet. Etwa einen Monat nach dem Sturm wurde die erste Kuh vom Parkpersonal auf der North Core Barrier-Insel entdeckt, die anderen beiden folgten in den nächsten zwei Wochen. Parkbeamte schätzen, dass die Kühe bis zu acht Kilometer schwammen, um die Barrier-Inseln zu erreichen.

3. Der Feminismus einer Strandung

St. Lucia, ein Inselstaat in der Karibik, ist das einzige Land, das nach einer Frau benannt wurde. Laut Überlieferung stammt der heutige Name von französischen Matrosen. Diese erlitten am 13. Dezember 1502, dem Gedenktag der heiligen Jungfrau und Märtyrerin Lucia von Syrakus, einen Schiffbruch. Sie nannten die Insel zu Ehren der Heiligen „Sainte Alousie“. Französische Chronisten übernahmen diesen Namen später, wobei sie ihn leicht abänderten. Die Ureinwohner nannten die Insel übrigens „Iouanalao“. Das heißt in etwa: „dort, wo der Leguan lebt“. Diesen Namen fänd ich ja schöner, obwohl wir ohne „St. Lucia“ gar keinen weiblichen Ländernamen hätten.

4. Einhörner der Meere

Die Sage der Einhörner ist ausnahmsweise kein Märchen made by Disney oder Coca-Cola. Der Ursprung der Einhorn-Legenden lässt sich weit zurückverfolgen und ist in vielen Kulturen verwurzelt. Einhörner gelten als mystische, pferdeähnliche Kreaturen mit einem einzelnen Horn auf der Stirn und sind Symbole für Reinheit und Gnade. Einige der frühesten Aufzeichnungen über Einhörner stammen aus der antiken Welt. Aber wir kamen die Menschen auf dieses eine gewundene, elfenbeinfarbige Horn auf der Stirn von Pferden? 

Die Erklärung: So einfach wie logisch! Sie kommt wahrscheinlich von Narwalen. Narwale haben auf der Stirn einen Zahn. Kein Horn, auch wenn das so aussieht. Dieser Zahn ist tatsächlich ein Zahn, den die meisten männlichen (und sehr selten weiblichen) Narwale an der Vorderseite ihres Kopfes entwickeln. Dieser Stoßzahn kann drei Mieter und 10 Kilogramm schwer werden. Der Zweck dieser verlängerten Zähne ist nicht endgültig bekannt. Narwale leben meist in dunklen, tiefen, arktischen Gewässern. 

Die Menschen kannten diese Wesen also nicht. Wenn sie aber einen dieser spiralig-geschwungenen Zähne am Strand fanden (weil er von einem toten Narwal durchs Meer angetrieben wurde), wussten sie damit nicht viel anzufangen. Mit ein wenig Fantasie entstanden Legende. Vielleicht auch die des Einhorns. Das war übrigens oft das Todesurteil der Wale. Denn findige Seemänner, die wussten, woher diese “Hörner” wirklich kamen, konnten mit ihnen viel Geld machen. Sie jagten die Narwale also und verkaufen dann ihre Hörner. Man schrieb ihnen dann noch einige wundersame Heilwirkungen und Kräfte zu: Zack, fertig war ein Geschäftsmodell, dass diese Wale fast an den Rand der Ausrottung brachte.

5. In Dänemark gibt es ein Strandungsmuseum

Bild: Strandingsmuseum St. George og Marinarkæologisk Center

In Thorsminde, Dänemark, gibt es ein Strandungsmuseum. Das Strandingsmuseum St. George erzählt die Geschichten von zahlreichen Schiffen, Besatzungen und Gütern, die einst an der gefährlichen dänischen Nordseeküste gestrandet sind. Starke Stürme, dichter Nebel, unberechenbare Strömungen und Untiefen, ohne Inseln, hinter denen man Schutz suchen könnte, führten zu tausenden Strandungen entlang der Westküste. Die Ausstellungen “begleiten” die Katastrophe der beiden englischen Linienschiffe HMS Defence und HMS St. George und zeigen das Leben an Bord, welches mit den Schiffen 1811 hier untergegangen und gestrandet ist. Hier findest du das Strandingsmuseum in Thorsminde.

Wale, Seemaus und Mondfisch auf Juist

Wale stranden. Das ist so traurig, wie regelmäßig. Besonders (aber nicht weniger traurig) sind Strandungen von Tieren, die hier in der Nordsee eigentlich gar nicht vorkommen. Hier ist es oft zu laut, zu flach, zu warm. Besonders die großen Wale und Fische bevorzugen die kalten Meere und große Tiefen. Dennoch verirren sich auch diese Meeresbewohner immer mal wieder in die Nordsee. Und stranden viel zu oft. Ihr Echolot versagt durch den enormen Schiffsverkehr, die Lautstärke und fehlende Rückzugsorte. In einem 2001 angeschwemmten Zwergwal wurden mehrere 11 mm Geschosse gefunden. Das 8,50 Meter lange und ca. 280 Kilogramm schwere Skelett des Wals ist vor dem Nationalparkhaus ausgestellt.

Im November 2019 wurden vor und auf den Inseln mehrere Grindwale angeschwemmt. Sie kommen eher im nördlichen Atlantik vor. Wie die meisten Wale leben sie in Gruppen – Schulen genannt. Und genau das wird ihnen oft zum Verhängnis. Wenn es zu einer Strandung kommt, dann stranden oft auch die anderen Mitglieder der Gruppe. 

Foto: Karina Hartmann, Nationalparkhaus, Juist

Und dann gab es noch den Mondfisch, der am 6. Januar 2022 von einem Strandspaziergänger gefunden wurde. Auch diese Spezies kennt die Nordsee eher aus der Ferne, lebt sonst in wärmeren Meeren. Der riesige, runde Fisch ist allein aufgrund seines ungewöhnlichen Aussehens ein außergewöhnlicher Fund. Über den Mondfisch habe ich bereits ausführlich geschrieben

Im Mai 2024 strandete ein weiteres, außergewöhnliches Tier bei uns auf Juist – das leider bald den Tod fand. Eine Seemaus. Mit einer Maus hat Aphrodita aculeata, so ihr wissenschaftlicher Name, aber nichts zu tun. Eine Seemaus ist ein Meeresbewohner, der zu den vielborstigen Ringelwürmern gehört. Sie werden bis zu 20 Zentimeter lang und leben in Tiefen um die 1000 Metern. Also keine klassische Nordseebewohnerin (die Nordsee ist durchschnittlich um die 95 Meter tief, an ihrer tiefsten Stelle nur 700 Meter).

Warum sie an den Juister Strand gespült wurde? Das kann viele Gründe haben: Starke Stürme und Wellen, eine Veränderung des Meeresbodens, des Salzgehaltes oder der Wassertemperatur. Aber auch Parasiten oder Krankheiten können Seemäuse schwächen, sodass sie von Strömungen erfasst werden.

Strandungen mit Herzensgeschichten: Die Flaschenpost

Eine Art der Strandung hingegen ist wunderbar: Die Flaschenpost. Entgegen der Annahme, dass sie immer zwischen Liebenden über die sieben Weltmeere auf Reisen gehen soll, hatte sie schon zu frühesten Zeiten einen sehr praktischen Nutzen.

„Panta Rhei.“

Die erste Flaschenpost wird Theophrastos, einem Schüler von Aristoteles, zugeschrieben. Er soll im Jahre 310 v. Chr. seine Theorie getestet haben, dass der Atlantische Ozean ins Mittelmeer fließt. Ob die erhoffte Bestätigung ankam, ist bis heute unklar. 

„Official Uncorker of Bottles“

Da gibt es noch die Geschichte von Queen Elisabeth I, die 1590 das Gesetz eingeführt, das Unbefugten verbot, Nachrichten aus Flaschen zu öffnen. Das durfte nur ein „Official Uncorker of Bottles“. Der Grund: Sie hatte Angst vor Spionen und Feinden, die die Flaschenpost zur heimlichen Kommunikation nutzten.

Von der Titanic. Lebt wohl alle!“

Bei einer besonders ergreifenden Entdeckung wurde eine Nachricht an der Küste nahe Dunkettle, Irland, angespült. Sie lautete: „Von der Titanic. Lebt wohl alle. Burke aus Glanmire, Cork“ – und wurde von einem jungen Passagier des unglückseligen Schiffes, das am 15. April 1912 sank, ins Meer geworfen. In einer merkwürdigen Wendung strandete die Flasche nur wenige Meilen von Burkes Heimatort entfernt. Sie blieb über Generationen in der Familie, bevor sie dem Cobh Heritage Centre gespendet wurde.

Und dann ist da doch noch eine romantische Herzensgeschichte:

Sieben Jahre Briefwechsel“

Am Weihnachtstag 1945 warf der 21-jährige amerikanische Veteran Frank Hayostek eine Flasche mit einer Notiz über Bord seines Truppentransporters. Acht Monate später fand die 18-jährige Milchmagd Breda O’Sullivan die Flasche an einem Strand in der Nähe von Dingle, Irland.

Es folgte ein siebenjähriger Briefwechsel über den Atlantik. Im August 1952 trafen sie sich schließlich, als Hayostek genug gespart hatte, um nach Irland zu fliegen. Leider wurde aus dieser Romanze nie echte Liebe. Oder: Vielleicht sollten es die Medien auch nicht erfahren, die mittlerweile großes Interesse an der Geschichte hatten.

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Julia Jung

Julia Jung kennt Juist von vielen Besuchen. Meist nur kurz, weil fast immer beruflich. Das bringt eine ganz eigene Perspektive auf die Insel. Ihre Leidenschaft sind die Meeresbiologie und die Psychologie hinter der Faszination für das Meer. Das Konzept des "Blue Mind" ist ihr Thema im Seezeichen, wie auch kleine Einblicke ins Leben im und am Meer.

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