Spielerisch

Spielerisch.

Spielvergnügen.

Spielerisch vergnügt.

Heute soll es ums Spielen gehen, um Spaß und Freude. Als ich mir Gedanken gemacht habe, wer ein toller Interviewpartner für dieses Thema wäre, kam mir der Kindergarten in den Kopf, die Schule, der Strandsport. Alles Institutionen mit Menschen, die unglaublich tolle Geschichten zu erzählen und Einblicke zu bieten haben. Am Ende aber bin ich bei Friederike gelandet. Friederike ist die erste Vorsitzende des Vereins „Kinner un Lü“ auf der Insel. Und darum soll es heute gehen: Es wird ein kleiner Blick hinter die Kulissen. Es geht ums Spielen, um die Organisation und die pädagogischen Bemühungen außerhalb der Schule für die Inselkinder. Los geht die Reise!

Für manche Kinder geht’s ums körperliches Auspowern und für andere darum, den Kopf auszupowern

Kinner un Lü.

Kinner un Lü ist ein gemeinnütziger Verein auf Juist. Bei Kinner un Lü geht es darum, den Kindern auf der Insel ein spielerisches und zugleich wertvolles Angebot zu machen. Es geht darum, die Freizeit zu verbringen und zu genießen. Und natürlich ums Spielen!

Friederike, mit der ich ja spreche, ist seit Sommer 2023 im Amt. Bald (zum Zeitpunkt unseres Gespräches) finden die Neuwahlen des Vorstands statt. Es wird sich etwas ändern, sagt sie, was, verrät sie nicht. Aber das werden wir ja herausfinden. Es sind allesamt Mütter im Vorstand – logisch, finde ich, schließlich sind es die Eltern, die am meisten Interesse daran haben, dass für ihre Kinder etwas geboten wird. „Es ist viel“, sagt Friederike, ein Ehrenamt zusätzlich zum Beruf und den Kindern. Aber es läuft. Es gibt eine WhatsApp-Gruppe, verrät sie mir, über die verschiedenste Aktionen organisiert werden. Und viele Mitglieder ziehen mit. Insgesamt sind es über einhundert Mitglieder. Klar, nicht alle von ihnen wirken aktiv mit, aber auch stille Mitglieder zahlen ihren Jahresbeitrag und tun damit etwas Gutes für den Verein. Denn Geld braucht es schließlich: So können die meisten Aktionen kostenfrei angeboten werden.

Spielerische Aktionen von Kinner un Lü auf Juist.

Zuerst sollte ich vielleicht erzählen, dass Kinner un Lü sich auf Kinder im Alter von Säuglingen bis zehn oder elf konzentriert. Aber der Verein mag „mitwachsen“, wenn die Kinder der Mitglieder ebenfalls wachsen. Man wird’s sehen. Über welche Aktioen sprechen wir denn eigentlich?

Das sind einige der Aktionen von Kinner un Lü in der letzten Zeit:

  • Kinner un Lü veranstaltete das Laternenbasteln für Insel- und Gästekinder. Passenddazu gab’s noch das Kinderschminken. Ein Klassiker eben.
  • Eine Aktion, die sogar ich mitbekommen habe, obwohl ich selbst kein Kind habe, war der Hip-Hop-Workshop.
  • Auch cool finde ich das Bilderbuchkino in der Villa Charlotte: Dabei wird ein Buchvorgelesen und passende Bilder werden auf der Leinwand gezeigt. Eine wichtige Aktion, findet Friederike, damit die Kinder dieses Vorlesen und Lesen trotz aller neuen Medien wertschätzen. Dabei sollten das etwas ältere Kinder sein, aber nicht zu alt, damit die Stimmung schön ist.
  • Besonders toll fanden die Kinder das Hunde-Einmaleins mit Hannah von der Inselhundeschule, bei der es um Theorie und Praxis ging. Die Kinder haben dabei gelernt, was ein Hund essen darf und die Körpersprache des Tieres zu lese, berichtet Friederike.
  • Ein Klassiker ist das Tauschregal im Dorfgemeinschaftshaus und beispielsweise der Kostümtausch zu Karneval, das super aufgenommen wird.
  • Meine Kollegin mit Kind berichtet beispielsweise immer begeistert von Kinderdisco im Haus des Kurgastes.
  • Auch gut angenommen wird das Kinderturnen, das einmal die Woche für Kinderzwischen 0 und 6 Jahren stattfindet, weil erst in der Grundschule ein regelmäßiger Sportunterricht angeboten werden kann.
  • Ebenfalls super ist das Kinderballett, das auch einmal die Woche stattfindet.
  • Geplant ist zudem ein Schachkurs für die größeren Kinder.
  • Der Garten an der Schule wird zum Inselgarten und darf damit von Kinner un Lü betrieben werden, sodass Erwachsene und Kinder (so ab fünf, sechs, damit sich niemand verletzt) gemeinsam säen, ernten und sich um die Pflanzen kümmern.
  • … und am Ende wird natürlich auch gekocht. Ein echter Kochkurs für Kinder. Ein richtiger Kreislauf.

Ich liebe diesen Ansatz – spielerisch Kindern etwas beibringen. Und es zeigt, dass Spielen viel mehr ist als „nur“ Spielen, sondern ein Anlass in sich selbst.

Mich interessiert es aber natürlich auch, ob Kinner un Lü „nur“ spielerische Aktionen anbietet oder ob es beim Spielen auch ums Lernen geht. Friederike erzählt mir, dass im Vorstand des Vereins auch eine Lehrerin ist und sie in vielen der Angebote eine Komponente einbauen, bei der die Kinder spielerisch etwas lernen. Ein Beispiel, das sie genannt hat, finde ich besonders toll: Es gibt den Seniorennachmittag auf der Insel. Das ist ein Nachmittag, bei dem in den Kirchen für Senioren speziell Angebote gemacht werden – Kaffee und Kuchen mit Vortrag oder so. Und Kinner un Lü hat diesen Nachmittag zur großen Freude aller „gekapert“. Die Kinder haben (natürlich mit Unterstützung Erwachsener) eine Art Waffelcafé auf die Beine gestellt. Die Senioren bestellten ihre Waffeln und die Kinder bereiteten diese zu. So lernen die Kinder eine neue Fähigkeit, die Senioren haben Kontakt zu einer anderen Generation und alle haben Spaß. Wenn das mal keine gute Idee ist!

Für manche Kinder geht’s ums körperliches Auspowern und für andere darum, den Kopf auszupowern und beides möchte Kinner un Lü möglich machen. Schwieriger ist es, sagt Friederike, für ältere Kinder etwas anzubieten. Und für Jungs. Aber das ist natürlich alles sehr individuell. Kinner un Lü probiert sich aus. Und das finde ich super toll.

Friederike findet den Kochkurs besonders toll, den sie anbieten können, auch weil das ein Angebot für etwas ältere Kinder ist. Ebenfalls geplant ist ein Spielenachmittag für Kinder und Senioren.

Ich liebe diesen Ansatz – spielerisch Kindern etwas beibringen. Und es zeigt, dass Spielen viel mehr ist als „nur“ Spielen, sondern ein Anlass in sich selbst.

Friederike.

Friederike ist eine dieser Personen, deren Tag mehr als 24 Stunden hat. Sie hat ihren Laden, zwei Kindern, ist aktiv bei Kinner un Lü und im Einzelhandelsverband. Ganz schön viel, finde ich, das würde ich alles gar nicht auf die Kette kriegen. Sie aber schon. „Langweilig ist mir nie“, sagt sie und das fühle ich total. Und dann sagt sie noch etwas: „Ich mache alles wirklich super gerne“ – Ich denke, das ist zum Teil eine Einstellungssache, aber auch ein Charaktermerkmal. Dankbarkeit. Und das müssen viele Menschen noch lernen (ich auch).

Ursprünglich in Jever geboren, hatte sie immer schon eine starke Verbindung zur Insel. Ihre Großmutter war echte Juisterin, aufgewachsen und großgeworden. Ihre Mutter verließ die Insel dann im Jugendalter für die Arbeit. Friederike selbst ist dementsprechend auf dem Festland geboren und aufgewachsen, aber Juist war immer eine Komponente für sie, eine Verbindung zu ihren Großeltern, ein Ferienherzensort.

Friederike ist ausgebildete Optikerin und Hörgeräteakkustikerin, hatte ihren ersten Job in Süddeutschland in Bayern. Heute betreibt sie ihren Laden „Töwerland Optik und mehr“ in der Strandstraße. Geplant war das aber so nicht. Mit ihrer ersten Schwangerschaft kam sie nach Juist zurück. Den Laden zu eröffnen, war nicht auf dem Zettel. Sie sollte erst angestellt arbeiten, aber als das nichts wurde, hat sie kurzerhand ihren Meister gemacht und selbst einen Laden für Hörgeräteakkustik und Augenoptik eröffnet. Vielleicht wollte es das Schicksal ja so. Oder es war einer dieser Zufälle, die einfach genial sind. Zeitweise arbeitete ihre Mutter noch mit im Geschäft. Erst befand sich ihr Laden in der Wilhelmstraße, aber dann konnte sie sich vergrößern und mit ihrem Geschäft in die Strandstraße umziehen. Inzwischen ist das Sortiment noch viel breiter aufgestellt und Friederike verkauft ebenfalls Schmuck, Dekorationen und selbstgestaltete Kreationen aller Art.

Gleichzeitig lebte Friederike unter einem Dach mit ihren Großeltern und ihrem Kind. Ein Mehrgenerationen-Haushalt par excellence. Vier Generationen: Friederikes Oma, ihre Mama, sie und ihre zwei Kinder. Ich frage, ob es anstrengend war. Friederike erwidert, dass es unglaublich besonders war. Der Traum vieler Menschen. Eine sehr wertvolle Zeit.

Spielend aufwachsen.

Ich frage Friederike, wie es für ihre Kinder ist, hier aufzuwachsen. „Ich glaube, ich würde mir nichts Anderes für meine Kinder wünschen“, antwortet sie. Schon früh können die Kinder alleine machen – zur Schule gehen, zu Freund*innen fahren. Für sie ist Juist dieses Klischee von „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“, aber das hat halt einen großen Freizeitwert, wenn man gerade nicht arbeitet.Und dann sagt Friederike noch etwas, das ich wirklich fast schon poetisch finde: „Es ist so ein Privileg, hier großwerden zu können“. Kinder auf den Alltag vorbereiten? Das schaffen die schon. Wer nun glaubt, dass sich Insulanerkinder nicht gut in Großstädten zurecht finden oder vom Bus und Bahn fahren überfordert sind, irrt. Friederike sagt, ihre Kinder machen das ganz selbstverständlich. Ist vielleicht wie Spielen für sie. Auch wichtig ist es für sie, dass ihre Kinder naturverbunden groß werden, ganz natürlich.

Spielerisch.

Ich finde es super wichtig, dass Kinder Kinder sein dürfen, dass sie spielen und sich ausprobieren dürfen. Das ist wichtig. Dafür ist Juist ja auch perfekt. Gleichzeitig muss man hier sicher auch früh erwachsen werden und spürt, dass jede*r einem zuschaut. Stelle ich mir zumindest so vor. Ich bin ja nicht hier aufgewachsen. Auf einer Insel, auf der sich vieles, wenn nicht fast alles, um Gäste dreht (und das ist ja auch nur logisch und folgerichtig), finde ich es super, dass es einen Verein gibt, der sich bewusst um die Inselkinder kümmert. Nicht, dass wir von der Kurverwaltung oder von der Inselgemeinde uns nicht auch um Kinder kümmern, aber der Fokus liegt halt auf den Gästen. Ich finde es super, dass die Kinder hier das Spielen lernen und dass dennoch eine pädagogische Komponente dabei ist.

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Julia Findeisen

Julia Findeisen lebt seit 2021 auf Juist. Sie schreibt über ihre absolute Leidenschaft: Genussmomente und Glücksorte. Juist ist für sie zur Heimat geworden.

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