Der pure Zufall. Ein kleine Geschichte Vom Glück, meine Lieblingsinsel in die Welt zu tragen.
Damals, vor beinah 10 Jahren, hatte ich mich gerade selbständig gemacht. Vor mir lag viel Neuanfang, viel Unsicherheit, viel Tatendrang und viel von dem Zauber, dem nur ein jeder Anfang innewohnt. Ich wollte die Welt und mich verändern und brachte genug Mut mit, mich der Welt zu zeigen.
Glück macht Mut.
Johann Wolfgang von Goethe
Nach Jahren der Festanstellung, unter anderem lange in internationalen Konzernen, lag sie vor mir, die Zukunft als Selbstständige. Ich wollte als Texterin, PR-Beraterin und als Bloggerin meines eigenen Reiseblogs tätig werden. Ich sah mich mit dem Laptop an meinem Schreibtisch sitzen, glücklich und natürlich mit genug zu tun und den nötigen Aufträgen. Die Zeit war reif, ich hatte den nötigen Antrieb, weiterzugehen, auch um den Preis, viel Sicherheit hinter mir zu lassen und sie in Unsicherheit einzutauschen.
Ich wollte Sinn empfinden in meinem Leben, etwas tun, wofür ich brannte – und nicht ausbrannte – und damit Menschen unterstützen und erfreuen.
Glück bedeutet für jeden Menschen vermutlich ein bisschen etwas anderes. Und es gibt sicherlich auch keine allgemeingültige Erklärung dafür, aus welchen Gründen Menschen glücklich sind.
Die Neurowissenschaft hat inzwischen viel geforscht zum Thema Glück, hat herausgefunden, in welchen Lebensphasen der Mensch eher glücklich oder eher unglücklich ist und welche Faktoren zu einem Glücksempfinden beitragen. Sinnhaftigkeit ist einer davon, ebenso die Lebenserfahrung und die Gelassenheit, die sie mit sich bringt. Es ist von den endogenen Faktoren die Rede, also den Beweggründen, die intrinsisch aus dem Menschen selbst herauskommen. Im Gegensatz zu den exogenen Faktoren, die sich im Außen befinden und immerhin kurzfristig zu einem Glücksgefühl beitragen können.
Immer wieder hatte ich in den Jahren der Festanstellung Zuflucht auf meiner Jugendliebe Juist gesucht. Immer wieder hat mir Juist geholfen, meine leeren Batterien aufzuladen und mit frischem Wind in den Segeln zurückzukehren in den Alltag. Und doch bleibt Juist als ein Ort ein exogener Faktor. Oder?
Ich glaube, dass die Erinnerungen, die auf Juist entstehen, den Unterschied machen. Juist ist ja nicht nur irgendeine Insel ohne zwei Berge, sondern auf Juist entstehen Geschichten, die nur das Leben schreiben kann und die vielleicht sogar verändert haben. Im Rückblick fällt es leichter, Zusammenhänge zu erkennen.
Auf Juist ereignen sich Begegnungen, erste Male, Abschiede und Wiedersehen, Liebe und Liebeskummer, eingebettet in einen sicheren Hafen, der immer da ist und bleibt und dich in die Arme nimmt, wann immer du es brauchst und zulässt. Juist ist ein endogener Faktor geworden, eine innere Sehnsucht und etwas, das immer bleibt, auch wenn man gar nicht dort ist.
Es ist, als hätte sich Juist in die eigene DNA geschlichen.
Wenn etwas sinnhaft ist, trägt es zum persönlichen Glückserleben bei.
Sinnhaftigkeit in der Arbeit finden, das wollte ich, und Schönes in die Welt bringen, das wollte ich auch. Wie geht das besser, als über meine Inselliebe schreiben zu dürfen?
Glück ist
Ich bewarb mich – und hatte es: Ich hatte einfach Glück. Meine kleine Insel suchte tatsächlich gerade jemanden wie mich, jemanden, die Juist kannte, jemanden, die Juist liebte, jemanden, die Juist, das so vielen Menschen so gut tut, in die Welt bringen wollte.
Seit beinahe 10 Jahren darf ich berichten, was sich auf meiner Lieblingsinsel ereignet. Ich bin mittendrin im Geschehen und weiß, was Juist bewegt, auch wenn ich selbst leider nicht dauerhaft auf der Insel leben kann. Die Lebensumstände bringen manches Mal auch andere Wendungen hervor. Meistens erweisen sie sich im Nachhinein doch als genau richtig.
Zusammenhalt macht glücklich.
Wissenschaftler der Harvard University untersuchen seit mehr als 80 Jahren in der umfangreichsten Studie zur Glücksforschung über einen besonders langen Zeitraum, was Menschen wirklich glücklich macht. 2.000 Menschen aus drei Generationen nehmen seit 1938 an einer Langzeitstudie über das Streben nach Glück teil. Ihre ersten Ergebnisse zeigen, dass materielle Dinge, Geld oder Erfolg im Beruf zwar nicht unerheblich sind, jedoch nicht automatisch zu mehr Zufriedenheit führen. Was tatsächlich den Unterschied machte, wären gute Beziehungen. Sie machen glücklicher und gesünder.
Die Rede ist von Beziehungen, in denen sich Menschen unterstützt und geschätzt fühlen. Von sozialen Beziehungen, die das Gefühl von Verbindung und Zugehörigkeit vermitteln.
Es geht hier nicht nur um Paarbeziehungen, sondern um alle Arten von persönlichen Beziehungen: zu Familienmitgliedern, Freunden, Kollegen, Nachbarn, und sogar Zufallsbegegnungen haben, so die Wissenschaftler, einen positiven Effekt auf das persönliche Glücksempfinden.
Wichtig ist es offenbar, dafür selbst aktiv zu werden und soziale Kontakte bewusst herzustellen. Diese soziale Fähigkeit lässt sich trainieren wie ein Muskel, schreiben die Forscher.
Das Glück ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt.
Albert Schweizer
Prof. Dr. Jan Delhey ist Professor für Allgemeine Soziologie und Makrosoziologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Er forscht international zur Lebenszufriedenheit und hat in seinen Umfragen nachgewiesen, dass den Menschen der gesellschaftliche Zusammenhalt enorm wichtig ist für das subjektives Wohlbefinden. Der Mensch ist eben ein soziales Wesen, je mehr Zusammenhalt, je besser.
Auf Juist befinden wir uns in einem Mikrokosmos. Es ist möglich, im Kleinen zu erleben, was dem Großen vielleicht guttäte. Die Juister und Juisterinnen können gar nicht anders, als miteinander auszukommen und zusammenzuhalten. Die Insel ist winzig, ihr Tempo heruntergebremst, es fällt ungleich schwerer, einfach mal eben abzutauchen und noch schwieriger wird es, die Insel mal eben schnell zu verlassen.
Sind die Menschen auf Juist glücklicher?
Ich beantworte das einmal so: Ich glaube, dass die Menschen auf Juist mehr als anderswo das Potenzial dazu haben, glücklich zu sein. Sie haben sich ihr Leben in den meisten Fällen genau so, wie es eben ist, selbst und bewusst ausgesucht. Sie gehen dem nach, was ihnen entspricht und was sie brauchen, um sich wohlzufühlen. Sie leben mit der Natur und ihren Geräuschen, inmitten der Elemente, und sie befinden sich in einer Gemeinschaft, die zwar nicht immer einer Meinung ist, aber, wenn es darauf ankommt, fest zusammenhält.
Hinzu kommt der Faktor Natur, von dem die Glücksforschung längst weiß, dass er glücklich und auch gesünder macht. Die ursprüngliche Natur auf Juist ist nicht nur schön anzuschauen, sondern bringt zusätzlich Naturgeräusche, viel Frischluft, das Empfinden von Wind und Wasser auf der Haut mit. Naturerlebnisse sollen nachweislich die seelische, körperliche und soziale Gesundheit fördern, besonders Aufenthalte am Meer sollen unterstützend wirken.
GLÜCK IST NICHT DAUERHAFT. LEIDER. ABER DU KANNST JUIST ALS GLÜCKSORT NUTZEN.
Auch wenn ich nicht immer auf Juist bin, behaupte ich, dass allein mein Tun für die Insel mich selbst glücklicher macht. Ich betrachte das als großes Geschenk, denn so bekomme ich etwas ab von den „good vibes“, die die Beziehung zu Juist für mich mit sich bringt.
Ob ich nur noch und dauerhaft glücklich bin, seit ich für Juist schreiben darf? Nein, das nicht. Das wäre toll, doch das schafft selbst Juist nicht.
Die manchmal auch längeren Aufenthalte auf der Insel, vor allem in den stillen Wintermonaten, haben mich oft zurück geworfen auf mich selbst. Das kennst du vielleicht auch von Juist. Es kann bei aller Schönheit rau sein, in einem positiven Sinn. Dort kannst du lernen über dich, ohne Mühe und ohne Angst.
Ich habe in all den Jahren immer mehr verstanden, dass ich selbst verantwortlich bin für mein Glück. So wie jeder Mensch. Nicht nur, aber mit Sicherheit habe ich das auch in der Beziehung zu Juist, dem Zauberland, und seinen Menschen gelernt. Dafür bin ich unendlich dankbar.
An Zufälle glaube ich persönlich übrigens nicht.