Leben/Arbeit

Leben und Arbeit.

Leben und Arbeiten auf Juist. Wie ist das so? Bietet es das, was Menschen sich wünschen? Wir wechseln die Perspektive und betrachten das Töwerland durch die Brille der Mitarbeitenden und Forschenden. Es ist spannend, die unterschiedlichen Blickwinkel kennen zu lernen!

Arbeitest du noch oder lebst du schon?

Enno Schmoll, die wissenschaftliche Sicht

Zuerst sprechen wir mit Professor Enno Schmoll vom Fachgebiet Wirtschaft an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven.

Lebensgefühl Insel – auch im Alltag. Das hört sich doch eigentlich traumhaft an. Gibt es etwas Schöneres, als dort zu arbeiten, wo man sonst die Ferien verbringt? „Eigentlich nicht!“, wäre die spontane Antwort.

Doch leider sieht die Realität anders aus, denn Juist und auch alle anderen Ostfriesischen Inseln leiden unter dem (um sich greifenden) Fachkräftemangel.

Für saisonale Jobs, die zu rund 95 % im Hotellerie- und Gastronomiebereich angesiedelt sind, fehlen schlicht und ergreifend Arbeitskräfte. Aber auch die Verwaltungen in den Inselrathäusern suchen händeringend nach Nachwuchs. Und wenn die Arbeitsbelastung ein erträgliches Maß überschreitet, ist klar, dass der Gast nicht immer mit einem
Lächeln begrüßt oder verabschiedet wird – und die Enttäuschung auf beiden Seiten wächst.

Ist also das Motto „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“ doch nicht so attraktiv, dass die Inseln ausreichend Interessierte für freie Stellen finden? Dieser Frage
gehen die Ostfriesischen Inseln geschlossen nach und haben bereits 2022 das Forschungsprojekt „Jobs on Islands“ ins Leben gerufen. Zusammen mit der Jade Hochschule Wilhelmshaven und gefördert durch die Europäische Union wurden dafür auf allen Inseln Workshops mit Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden durchgeführt, um praktikable Handlungsempfehlungen
gegen den Fachkräftemangel zu entwickeln. Ziel ist, Personal auf der Insel zu halten und neue Arbeitskräfte zu gewinnen. Federführend wird das Projekt von Professor Enno Schmoll vom Fachgebiet Wirtschaft der Jade Hochschule geleitet. Er gibt uns einen kleinen Überblick über die Forschungsergebnisse und Maßnahmen für unser Töwerland. „Was macht die Insel attraktiv für Mitarbeitende?“

Das war eine der zentralen Fragen unseres Forschungsprojekts. Dafür haben wir
viele Stimmen von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden zusammengetragen. Ganz klar lässt sich sagen, dass eine Insel wie Juist absolut attraktiv ist, um auf ihr zu leben und zu arbeiten. Den Arbeitgebenden geben wir die Empfehlung, aktiv nach neuen Mitarbeitenden zu suchen, denn viele Menschen möchten das Lebensgefühl „Insel“ durchaus permanent haben. Juist hat eine
wahnsinnig hohe Lebensqualität. Das fängt beim Thema Mobilität an – hier hat man einfach kurze Wege, alles ist vor Ort oder um die Ecke. Das Leben hier ist was für Menschen, die nah an der Natur sein wollen. Hier lebt man schließlich im Weltnaturerbe, die Insel ist wie ein Refugium. Menschen entschleunigen hier. Für viele ist der schönste Moment am Tag morgens der Weg zur Arbeit. Da wird das Lebensgefühl „Insel“ wohl am meisten deutlich und genossen. Natürlich muss man auch im Winter klarkommen – und dafür muss man das Inselleben wollen. Und dann ist es Typsache – der eine kann’s, der andere nicht. Viele Menschen, die hierhinkommen, um zu leben und zu arbeiten, machen etwas, was sie nicht gelernt haben. Und das ist eine große Chance für Arbeitgebende: Sie sollen vor allem auf die Persönlichkeit der Bewerber schauen. Denn die ist ausschlaggebend für das Gelingen einer langfristigen Arbeitsbeziehung. Egal, ob es um junge Menschen geht oder um 50+.“ Auch das ist ein Ergebnis, das wir erhalten haben, dass nämlich viele Menschen – auch mittleren Alters – etwas Neues machen wollen, weil sie mit ihrem „alten Leben“ nicht mehr zufrieden sind und sich neu orientieren wollen, etwas machen wollen, was sie schon immer machen wollten, aber nicht wussten,
wo oder wann. Und umgekehrt haben wir viele junge Menschen erlebt, die bewusst entschleunigen wollen und daher hierhin kommen.

Man gewinnt pure Lebenszeit!

Und eine Insel wie Juist ist eine Sehnsuchtsprojektionsfläche, die all das bietet, was sich Menschen vorstellen.

Viele sagen, das Leben auf der Insel sei zu teuer. Aber das stimmt nicht, da viele Ausgaben hier einfach nicht anfallen und sich die Mehrkosten für das tägliche Leben damit ausgleichen. Zum Beispiel fallen keine Kosten für ein Auto an. Alle Wege sind kurz, alles ist innerhalb weniger Minuten erreichbar. Ja, für einen Facharzttermin muss man aufs Festland, aber die Erreichbarkeit per Schnellfähre ist mittlerweile gegeben. Und noch ein ganz wichtiger Punkt: Im Notfall ist der Rettungshubschrauber innerhalb von acht Minuten hier. Da kann auf dem Festland kein Rettungswagen mithalten! Problematisch ist es nach wie vor mit Wohnraum. Und da müssen die Arbeitgeber handeln und sich für
guten und bezahlbaren Wohnraum einsetzen sowie auch gegebenenfalls Arbeitslöhne anheben, um das Gesamtpaket Inselleben attraktiv zu machen. Schließlich haben wir eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Und daran arbeiten wir gemeinsam.

„Wir geben die Seele der Insel weiter“

Heike Ahrens, Juister Vermieterin

Jetzt spricht Heike Ahrens, Vermieterin mit Herz und eine der Hauptansprechpartnerinnen bei „Urlaub bei Juistern“, einer Vermietung, die sich auf Juister Gastgebende spezialisiert hat.

Bereits seit einigen Jahren haben wir Juister Gastgeber-Familienbetriebe uns in einem Netzwerk zusammengeschlossen.

„Urlaub bei Juistern“ heißt unsere Interessengemeinschaft, die rund 40 Traditionsbetriebe der Insel vereint. Hier können die Gäste uns Juister Vermieter
direkt kontaktieren und Unterkünfte buchen, die sie im Internet auf urlaub-bei-juistern.de finden. Die Anfragen gehen also nicht über ein Buchungsportal, sondern direkt an uns Vermieter – entweder gebündelt an alle oder konkret an
einen, dessen Unterkunft man interessant findet. Viele Gäste finden es nämlich besonders wichtig, einen echten Juister Gastgebenden zu haben. Wir stehen mit Rat und Tat zur Seite, geben Urlaubstipps, können als Zeitzeugen spannende
Geschichten über unsere wunderschöne Insel erzählen und bieten sogar Teezeremonien für unsere Gäste an.

Warum wir das machen?

Weil wir damit die Seele unserer Insel weitergeben können. Denn unsere Eltern- und Großelterngenerationen haben das aufgebaut , was wir nun täglich pflegen
und was unsere Insel ausmacht. Sie haben als Vermieter bereits den Grundstein für unsere Gastfreundschaft von heute gelegt, indem sie ihre Wohnungen oder Zimmer in den Ferienzeiten für Gäste zur Verfügung gestellt haben. „Mit Herz und Hand fürs Töwerland“ heißt es bei uns. Es ist ein echtes Qualitätsmerkmal und unsere Gäste schätzen das. Die persönliche Ansprache und der direkte Kontakt sind uns dabei sehr wichtig. Wir sind immer da, denn als Kleinbetriebe erledigen wir viele Arbeiten wie Reinigen und Instandhalten selber, einige Vermieter greifen auf Dienstleister zurück . Allerdings ist es so, dass sich eigenes Personal meist nicht lohnt und es würde auch die Urlaubskosten für unsere Gäste in die Höhe treiben. Außerdem sind wir eine starke Gemeinschaft und helfen uns gegenseitig, wenn’s mal brennt.
So schaffen wir das und machen den Urlaub für unsere Gäste zu einem unvergesslichen Erlebnis!

Vom Mittelmeer ans Wattenmeer

Ein Gespräch mit Yanet Ramos Salazar, die als Leitung Strandsport bei der Kurverwaltung arbeitet.

Moin, ich bin Yanet und ich leite den Sport und die Animation auf Juist, schreibe Bücher und backe gerne. Ich komme aus Alicante in Spanien. Ich vermisse meine Heimat, wenn es hier kalt ist, ansonsten fühle ich mich hier wohl. Die Insel verlasse ich vielleicht 10mal im Jahr für Tagesfahrten oder bei besonderen Anlässen meiner Familie.

Was ich an Juist liebe

Auf Juist liebe ich die Ruhe ohne Autos und die Spaziergänge am Strand mit meinem Hund. Was ich nicht so mag, ist, wenn Sturm ist und wenn die Gäste weg sind. Ich liebe an meinem Job, dass ich bis dahin, wo ich alles mache, nur fünf Minuten zu Fuß brauche und dass man so viel Sport draußen machen kann. Klar vermisse ich meine ganze Family, vor allem meine zwei Söhne, und leider habe ich kaum Besuch, weil fast alle meine Freunde und Familie aus Spanien kommen. Von dort ist es sehr weit bis hier und kompliziert anzureisen. Ich weiß
noch nicht, wie lange ich noch hierbleibe. Am Anfang dachte ich nur ein paar Jahre, mittlerweile weiß ich nicht, ob ich Juist ganz verlassen möchte. Manchmal denke ich, „das ist mein letztes Jahr“ und dann ist es aber doch nicht! Damit werde ich bestimmt sehr spontan sein!

Mein typischer Tag

An einem typischer Tag stehe ich um 07:00 Uhr auf, bin um 07:45 Uhr
im Büro, lese und beantworte E-Mails und um 08:30 Uhr kommen
dann die Kollegen. Wir sind meistens zu fünft. Dann packen wir unsere Sachen zusammen und gehen alle zusammen an den Strand. Je nachdem, was wir an dem Tag vorhaben, zum Beispiel ein Turnier, müssen wir erstmal alles aufbauen: Felder herrichten, Bälle kontrollieren und aufpumpen, Spiele vorbereiten. Danach organisieren wir, wer was an dem Tag macht – einige kümmern sich zuerst um die Kinder und geben dann Sportkurse oder umgekehrt. Nach der Mittagspause, bei der wir uns abwechseln, geht es bis 18:00 Uhr weiter. Dann haben die Praktikanten Feierabend, die Mitarbeiter haben teilweise zwei- oder dreimal die Woche noch Abendprogramm ab 20:00 Uhr. In der Nebensaison ist alles entspannter, da finden keine Turniere statt, nur Sport und Animation vormittags und nachmittags sowie ein oder zwei Abendkurse. Meist sind wir dann nur zu zweit.

Mein Privatleben auf der Insel

Und ja – ich bin voll angekommen hier und fühle mich willkommen! Ich kenne nette Leute, habe ein paar Freundschaften, habe eine tolle Volleyballgruppe, denn das ist eine meiner Lieblings-Sportarten, und das habe ich hier zusammen mit den Juistern. Deutsch zu sprechen ist für mich nicht schwierig, ich mag die Sprache und finde toll, dass ich das gelernt habe. Ich habe das Gefühl, dass ich immer weiter lernen muss, weil die Sprache sehr komplex ist, und ich mag das, weil es für mich eine tolle Herausforderung ist. Genau mein Ding.

Horizont erweiternd: Duales Studium auf Juist

Tomke und Sophia, zwei Studentinnen im Hotelfach

Juist: Vielleicht könnt ihr euch kurz mal vorstellen.

Sophia Richter: Also ich bin die Sophia, Sophia Richter. Ich werde jetzt 22 Jahre alt und komme ursprünglich aus der Nähe von Bremen, also aus Norddeutschland. Und ich habe mich vor über drei Jahren dazu entschieden, das Duale Studium zu machen. Das ist ein Studium der BWL, bei dem man nach zwei Jahren eine Ausbildungsprüfung zur Hotelfachfrau macht. Heute heißt das allerdings Hotelmanagement. Das ist quasi in das Studium integriert.

Tomke Eden: Ich bin Tomke, 22, werde jetzt bald 23. Ich komme hier aus Ostfriesland und habe mich vor drei Jahren dazu entschieden, das Duale Studium im Achterdiek zu machen. Ich mache das gleiche Studium wie Sophia.

Juist: Warum habt ihr euch für ein Duales Studium entschieden?

Tomke Eden: Ich habe im Abitur schon immer neben der Schule gearbeitet und gemerkt, dass ich diese Abwechslung auch brauche. Ich habe dann aus Zufall entdeckt, dass es dieses Duale Studium gibt und habe mich einfach darauf beworben.

Sophia Richter: Unsere Steckbriefe sind ziemlich deckungsgleich. Ich habe in einer Bäckerei gearbeitet und brauchte diesen Ausgleich halt auch. Grundsätzlich Duales Studium war für mich in der Oberstufe schon klar, dass ich das gerne machen wollte. Die Richtung war nicht klar, aber die Abwechslung wollte ich schon haben. Finanziell ist das natürlich auch eine tolle Sache – ich muss kein Bafög bekommen, weil ich für die Ausbildung ja bezahlt werde. Ich kann mich selbst versorgen und bin nicht von meinen Eltern abhängig.

Juist: Wird das Studium vom Arbeitgeber bezahlt?

Sophia Richter: Ja, unser Chef zahlt das Studium und zusätzlich eine Ausbildungsvergütung.

Tomke Eden: Das Achterdiek zahlt auch übertariflich und für die Wohnung und das Essen kommt das Achterdiek auch auf.

Sophia Richter: Also wir leben recht sparsam auf der Insel. In Leer nicht ganz so, aber insgesamt passt das ganz gut.

Juist: Wie sieht das denn nach eurem Abschluss aus eigentlich?

Tomke Eden: Also eine Übernahmegarantie gibt es nicht, aber wir haben uns auch nicht verpflichtet. Wir bleiben aber beide noch eine Zeitlang nach dem Abschluss.

Sophia Richter: Wenn man seine Leistung unter Beweis stellt, ist der Arbeitgeber natürlich auch hinterher, dass wir bleiben.

Tomke Eden: Wir hatten im Januar unsere Übernahmegespräche und haben uns sehr auf Augenhöhe ausgetauscht, was wir gut oder schlecht fanden und was unsere Pläne sing und so. Und dann wird versucht, was Passendes zu finden.

Sophia Richter: So ein bisschen „create your own job“.

Juist: Und was werdet ihr dann machen?

Sophia Richter: Ich werde ins Recruiting einsteigen und der Erstkontakt für Bewerber sein. Abends werde ich dann weiterhin im Service arbeiten. Die Jobs hinter den Kulissen sind halt belegt, aber da versucht man schon, uns Dualen Studentinnen was zu bieten, damit wir einen Platz finden. Als mittelfristige Lösung und dann mal weiterschauen.

Tomke Eden: Es wird schon geschaut, dass wir was machen, das uns persönlich weiterbringt und dass wir uns entwickeln können. Das haben wir in den letzten drei Jahren schon sehr gemerkt. Wir setzen uns den ganzen Tag mit so vielen verschiedenen Leuten auseinander und das sorgt auf jeden Fall schon für viel Selbstbewusstsein. Also ich werde im Büro eingesetzt, auch im Marketing und Social Media und dann abends auch im Service.

Juist: Warum seid ihr eigentlich auf Juist mit dem Dualen Studium gelandet?

Tomke Eden: Ich habe solche Angebote für ein Duales Studium nur im Süden Deutschlands gefunden und ich wollte gerne an der Küste bleiben. Juist kannte ich noch nicht, aber eine ähnliche Insel in den Niederlanden und das hatte für mich schon einen gewissen Reiz.

Sophia Richter: Ich hatte mich bei meiner Suche auf den Norden beschränkt. Vor drei Jahren war es mit Corona ja auch eine schwierige Zeit, vor allem im Tourismus, weil da keiner wirklich wusste, wie es weitergeht und dann gab es auch kaum Angebote für ein Duales Studium. Ich bin dann über die Berufsberatung in der Schule auf die Ausschreibung vom Achterdiek gekommen. Ich hatte gar keine Berührungspunkte mit Inselurlaub, aber mir hat das erste Mal Juist im Januar trotzdem total gut gefallen. Ich glaube, diese Ruhe hat mir nach dem stressigen Abi gut gefallen.

Juist: Erzählt uns mal etwas mit dem Studium, bitte.

Tomke Eden: Das Studium ist an der Hochschule in Leer am Wirtschaftscampus und studiert sechs Semester insgesamt. Ein Semester ist drei Monate an der Uni und drei Monate im Betrieb. An der Uni hat man die ersten vier Semester die Grundlagen der Wirtschaft und wählt dann danach die Schwerpunkte, zum Beispiel Finanzen oder Marketing. Danach wird dann die Bachelor-Arbeit geschrieben.

Sophia Richter: Zwischen dem dritten und vierten Semester hat man dann die Ausbildungsprüfung. Die wird von der IHK gemacht und dafür werden wir dann freigestellt. Ein Jahr später dann der Bachelor. Für uns ist das so, dass wir uns alles sehr selbstständig und mit relativ viel Disziplin planen und uns selbst beibringen mussten.

Tomke Eden: Auch richtig gut war, dass wir durch die Praxis immer direkt wussten, wie man die Theorie anwendet. Und durch die Theorie haben wir die Vorgänge im Hotel live echt besser verstanden.

Juist: Ansonsten – wie sieht euer Zwischenfazit aus?

Tomke Eden: Das würde ich auf jeden Fall wieder machen.

Sophia Richter: Ja, ich würde das auch wieder machen. Ich fand das Achterdiek war ein super Partner, weil uns da die Zeit gegeben wurde und uns auch super unterstützt wurden. Und da auch als Duale Studentinnen ernstgenommen wurden. Wir haben auch Verantwortung bekommen, als wir jede Abteilung durchlaufen sind. Bei uns war es so, dass wir ja alle Abteilung zuerst durchlaufen haben, anders, als zum Beispiel ein Azubi in der Küche. Man weiß vieles aus jeder Abteilung, dass auch langjährige Kollegen vielleicht gar nicht wissen. Wir sind irgendwann in diese Projektaufgaben reingerutscht.

Tomke Eden: Bei mir war das schnell Social Media, das ich dann gemacht habe. Also immer noch mache. Bei Sophia dann schnell Eventmanagement hinter den Kulissen, zum Beispiel bei der 10-jährigen Jubiläumswoche. Da ist ein gewisses Vertrauen von beiden Seiten aufgebaut worden.

Juist: Und wie sieht das im Achterdiek in der Zukunft mit Dualen Studenten aus?

Tomke Eden: Es gab immer mal wieder welche. Manchmal passt es, manchmal nicht. Es läuft immer parallel weiter.

Sophia Richter: Es macht ja Sinn, „unsere“ Plätze wieder zu besetzen, wenn wir weg sind. Also die Dynamik passt ganz gut. Was soll man mit vier, fünf, sechs Dualen Studenten?

Juist: Welche Abteilungen habt ihr denn alle durchlaufen?

Tomke Eden: Gestartet bin ich im Housekeeping und im Service, damit man einfach wirklich das Haus in der Tiefe kennenlernt. Danach war ich an der Rezeption, vor allem im Kundenkontakt mit Check-in und Check-out. Danach war ich in der Küche. Das war aufregend, aber nicht so ganz meine Welt. Und dann noch in der Buchhaltung. Und dann ging das schon los mit den Projektaufgaben vormittags und im Service abends. Auch im Service ist es so, dass wir mehr Aufgaben bekommen haben: Vom Läufer zum Stationskellner mit eigenem Bereich, den wir koordinieren.

Sophia Richter: Das war echt so.

Immer, wenn ich gedacht habe, ich hätte alles gelernt, kam was Neues. Das war echt super.

Wir haben dann zum Beispiel auch das Pilotprojekt a la Carte-Restaurant gemacht. Es sollte ein separates Restaurant für die Hausgäste geben und eines für die externen Gäste. Das haben dann auch wir beide alleine gemacht quasi. Das war schon cool.

Tomke Eden: Das liegt momentan leider wegen der Personalsituation wieder auf Eis, hat aber echt Spaß gemacht.

Juist: Habt ihr Arbeiten, die euch besonders wenig Spaß gemacht haben?

Sophia Richter: Küche – ne, viel zu warm. Vor allem im Sommer. Die in der Küche sind echt hart im Nehmen. Und auch Housekeeping – das ist so anstrengend. Da darf man auf keinen Fall raus herabschauen. Was im Housekeeping jeden Tag geleistet wird, das ist echt Wahnsinn. Das ist echt ein anspruchsvoller Job. Jede Abteilung ist so wichtig und in jeder Abteilung brauchst du echt die Leute, die das kennen.

Tomke Eden: Man zieht dann echt den Hut vor den Abteilungen, vor der Küche und dem Housekeeping. Die sind so wichtig. Das Housekeeping ist echt das Aushängeschild von einem Hotel. Ich fand beides nicht schlimm, aber das sind nicht meine Stärken.

Juist: Wie ist das für euch mit dem Sozialleben hier auf der Insel?

Tomke Eden: Im Team waren wir schnell angekommen. Für viele ist die Insel ja neu und das Hotel irgendwie zum Kern des Lebens. Dann lebst du ja auch oft im gleichen Haus. Also, wir sind echt ein gutes und auch ziemlich enges Team. Also auf der Insel hat es etwas gedauert, bis die Leute verstanden haben, dass wir immer wieder kommen.

Sophia Richter: Also der Strandsport hat auch gut geholfen. Wir haben ja auch viele Kollegen, die schon lange hier sind, die einen dann mitnehmen. Nach so einem Jahr hatte man dann die ersten ernstzunehmenden Kontakte. Das war schon ganz gut.

Tomke Eden: Wenn wir mit den Kollegen was machen, reden wir auch selten über die Arbeit. Wir können auch ganz gut miteinander.

Juist: Wie kommt ihr mit der Insel insgesamt so wahr?

Tomke Eden: Ich komme ja aus einem noch kleineren Dorf als hier. Deshalb finde ich das hier echt in Ordnung, vor allem, weil ich spazierend einkaufen gehen kann. Das hat schon was. Nach Feierabend geht’s dann in die Spelunke oder in den Schirm oder zu Freunden. Also unterhalten kann man sich immer. An den freien Tagen ist das dann schon wie Urlaub hier.

Sophia Richter: Man trifft dann schon Gäste, aber das ist nicht so schlimm. Ist ja auch wichtig, dass man trotz der Arbeit hier gut abschalten kann. Trotz der Nähe. Sonst wäre ich auch nicht glücklich hier.

Tomke Eden: Was ich schade finde, ist, dass die Leute immer so skeptisch nachfragen, wenn man sagt, man lebt auf einer Insel. Ist auch ein ganz normales Leben mit Einkaufen, Arbeiten und so. Das Leben hier ist nicht groß anders, als auf dem Festland. Es ist genauso wie auf dem Festland, nur, dass der Platz begrenzt ist und man den Strand direkt vor der Tür ist.

Juist: Und wie ist das für euch mit den Arbeitszeiten?

Sophia Richter: Ich habe heute Morgen versucht, einem Gast zu erklären, dass ich keinen Urlaub hatte, sondern an zwei Tagen frei hatte, weil wir eine normale Fünf-Tage-Woche mit 40 Stunden haben.

Tomke Eden: Wir werden nicht ausgebeutet. Klar, im Sommer kann aus einer 40-Stunden-Woche auch mal eine 45-Stunden-Woche werden, aber das ist ja in vielen Branchen so.

Juist: „Leben, wo andere Urlaub machen“: Was haltet ihr davon?

Sophia Richter: Ist absolut so. Ist ein billiger Werbespruch und ausgelutscht, aber für mich ist das einfach so. Was noch dazu kommt: Wir arbeiten morgens und abends, wir haben viel mehr vom Tag, als viele andere Jobs.

Tomke Eden: Ich glaube, man kommt hier mehr zur Ruhe, als woanders, aber den Spruch mag ich trotzdem nicht. Ich habe mir im Studium viel Stress gemacht und da hat die Insel mir schon geholfen, gut mit dem Stress und dem Druck umzugehen.

Sophia Richter: Als ich hergekommen bin, war das für mich richtig, richtig gut. Wir entwickeln uns hier vielleicht schneller, als Leute, die zuhause geblieben sind und dort eine Ausbildung gemacht haben.

Juist: Was hat Juist für Nachteile für euch?

Sophia Richter: Man hat keine Angst. Fahrrad wird nicht gestohlen, man läuft als Frau alleine nachts rum.

Wir haben das hier schon, dass man die richtige Person für Juist sein muss, weil man schon mutig sein muss, um herzukommen und sich hier wohlzufühlen. Man muss hier schon auf viele Kleinigkeiten verzichten, auf den Arzt oder so, aber das ist nicht schlimm.

Tomke Eden: Was ist schwierig finde, ist, man kann nicht einfach mal so eben schnell zu Familie oder Freunden fahren oder auf ein Konzert. Aber an sich ist man hier total behütet. Und das gefällt mir schon ganz gut.

Tomke Eden: Schön wäre ein günstigerer Friseur oder ein günstigerer Klamottenladen, aber im Grunde ist alles gut.

Juist: Was wünscht ihr euch denn so im Leben?

Sophia Richter: Na ja, in gewisser Weise Ausgeglichenheit im Job und im Leben, aber auch gefördert und gefordert zu werden.

Tomke Eden: Eine gewisse Erfüllung, die Erreichung von Etappenzielen, einen Mehrwert bringen, das Leben zu leben, wie man will.

Gekommen, um zu bleiben.

Fachkräftegewinnung aus dem Ausland: Hotelchef Joe Pütz berichtet

Fachkräfte zu gewinnen – und zu halten – ist ein großes Thema, auch auf Juist. Joe Pütz, Geschäftsführer des Nordseehotel Freese, hat die Zügel in die Hand genommen und mit Projekten und Initiativen neue Möglichkeiten realisiert.

Juist: Du bist Geschäftsführer des Nordseehotel Freese und hast mehrere Initiativen zur Personalgewinnung aus dem Ausland entwickelt und umgesetzt. Welche Initiativen waren das?

Joe Pütz: Vor dem Hintergrund von fehlenden Fachkräften in Hotellerie und Gastronomie haben wir 2018 mit der Bundesagentur für Arbeit und Internationaler Personensuchservice zwei Ausbildungsprojekte gestartet. So konnten wir Anfang 2019 48 junge Leute aus dem Westbalkan/Kosovo und in Zusammenarbeit mit der Kreishandwerkerschaft Paderborn 24 junge Leute aus Vietnam für eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe nach Juist holen.
In weiteren Projekten, die dann von hier geführt wurden, haben wir in den Folgejahren pro Jahr etwa 30 Auszubildende, vornehmlich aus dem Westbalkan und Südostasien, nach Juist geholt. Sie absolvierten beziehungsweise absolvieren eine Ausbildung in den verschiedenen Hotel- und Gastronomieberufen auf Juist. Seit 2024 führen wir keine Projekte im Westbalkan mehr durch, sondern haben uns auf den asiatischen Markt hinsichtlich Auszubildende konzentriert. Noch in 2024 werden
etwa 15 junge Menschen aus Vietnam, Indonesien und Thailand ihre Ausbildung hier auf Juist in verschiedenen Betrieben beginnen.
Darüber hinaus führen wir seit 2023 eine Kooperation mit der Varna University of Culinary Art durch (Bulgarien). Hier sind zahlreiche junge Leute, die an der Universität ihre Ausbildung zum Bachelor of Arts in den Berufsbildern der Gastronomie absolvieren. Sie machen bei uns und in weiteren Juister Betrieben ihre Pflichtpraktika. Einige von ihnen wurden bereits nach Abschluss des Studiums von uns angestellt. Mit Unterstützung verschiedener Behörden und Institutionen soll hier ab Herbst 2025 ein Projekt im Rahmen von dualen Studiengängen angeboten werden. Wir haben eine tolle Bilanz:

Insgesamt haben wir seit 2019 mit unseren Projekten und Initiativen ca. 260 junge Leute aus Drittstaaten nach Juist oder auf andere Inseln für eine qualifizierte Ausbildung geholt.

Juist: Aus welchem Grund hast du das gemacht?

Joe Pütz: Im Jahre 2019 wurde bei uns, aber auch in allen anderen größeren Juister Betrieben, ein Fachkräftemangel festgestellt, der den hiesigen, regionalen, deutschen und EU-weiten Arbeitsmarkt nicht gedeckt werden konnte. Fachkräfte aus Drittstaaten konnten zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Rechtslage nicht angeworben werden, daher blieb nur die Ausbildung in den Betrieben. Rund 60 Prozent der Auszubildenden, die in den letzten Jahren nach Juist gekommen sind und ihre Ausbildung hier absolviert haben, sind heute noch als Fachkräfte hier tätig.

Juist: Gab es Unterstützung für die Projekte?

Joe Pütz: Soweit rechtlich möglich, haben wir eine sehr gute Unterstützung durch die Ausländerbehörde des Landkreises Aurich sowie durch die Berufsschule Norden und die IHK Emden erhalten. Es handelte sich jedoch nie um finanzielle Hilfen, sondern um Hinweise und Unterstützung bei der bürokratischen Abarbeitung der Projekte und Initiativen sowie rechtliche Unterstützung, denn hier hatten wir die größten Hindernisse. Bei den neuen Projekten sind für die Zukunft Hilfen und Unterstützung, womöglich auch finanzieller Art, durch Erasmus+-Programme und die Wirtschaftsförderung des Landkreises geplant.

Juist: Wo wohnen eure Mitarbeitenden?

Joe Pütz: Wir sind auf den Inseln in der Lage, allen Mitarbeitenden entsprechende Personalzimmer oder -wohnungen zu überlassen, die meistens von den jeweiligen Betrieben gestellt werden können und im Bestand der Betriebe sind. Wünschenswert wäre hier, dass die Kommunalpolitik, Gemeinde und sonstige Institutionen Unterstützung bei bezahlbarem Wohnraum für Mitarbeitende leisten. Dies ist hier außerhalb der Betriebe kaum gegeben.

Juist: Wenn die Mitarbeitenden auf der Insel sind, welche Aufgaben haben sie?

Joe Pütz: Wir sprechen ja hier von Auszubildenden, die folgende Berufsbilder abdecken:

  • Fachkraft im Gastgewerbe (ca. 80 %)
  • Hotelfachmann/-fachfrau (ca. 10 %)
  • Koch / Köchin (ca. 5 %)
  • Restaurantfachmann/-fachfrau (ca. 5 %)

Rund 80 % der Auszubildenden wurden nach ihrem Abschluss von den Betrieben als Fachkräfte übernommen. Das ist wirklich ein tolles Ergebnis!

Juist: Welche Integrationsmaßnahmen werden durchgeführt, damit sich die Mitarbeitenden wohlfühlen?

Joe Pütz: Von der Gemeinde aus gibt es den „Insellotsen“ mit allen wichtigen Infos. Für alle weitergehenden Maßnahmen sind die Betriebe aber auf sich gestellt. Für die bereits laufenden Erasmus+-Programme führen wir aktuell verschiedene vorbereitende Maßnahmen während der Studienzeit durch, die im Laufe der nächsten Monate verstärkt werden sollen.

Juist: Machst du das nur für deinen Betrieb oder nehmen auch weitere Betriebe von der Insel oder sogar außerhalb der Insel an der Initiative teil?

Joe Pütz: Die Durchführung der Projekte und Initiativen liegt im Wesentlichen bei unserem Betrieb, dem Nordseehotel Freese. Allerdings können alle anderen Juister Betriebe davon profitieren und teilnehmen.

Leben auf Juist:

Pferd.

Ein Leben als Pferd auf Juist sieht ganz anders aus, als du dir vorstellst. Folge Molly, einem unserer Kutschpferde, durch einen Arbeitstag.

Arbeitsinsel.

Auf Juist Leben und Arbeiten: Ein Traum? Drei Menschen erzählen dir von ihrer Perspektive auf die Insel als Arbeitsort.

Doppeltsehen.

Vom Leben auf dem Kutschbock: Steffi und Yvonne erzählen vom Alltag als Gespannführerinnen. Super spannend!

Was ist Inselleben für dich?Schreibe deine Gedanken:

Julia Findeisen

Julia Findeisen lebt seit 2021 auf Juist. Sie schreibt über ihre absolute Leidenschaft: Genussmomente und Glücksorte. Juist ist für sie zur Heimat geworden.

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