Mehr Horizont.

Der Horizont ist Sehnsucht.

Der Horizont ist die Linie, die die Grenzen unseres Sehens, aber auch den Beginn unserer Vorstellungskraft markiert.

William Blake 

Der Horizont steht für mich besonders für Sehnsucht. 

Als Teenager, als der Radius meines Lebens mir noch sehr begrenzt erschien, habe ich so oft es ging Zuflucht auf Juist gesucht. Was aus heutiger Sicht absurd klingt, denn Juist ist ja noch winziger als der kleine Ort, in dem ich in Ostwestfalen aufgewachsen bin. 

Aber mit Juist war das anders. 

Warum war das so? 

Ich glaube, dass das Meer und eben auch der Horizont damit zu tun hatten. Ich war vorher nie am Meer gewesen, und die Erinnerung an diese Weite, die Juist mit seinem endlosen Strand und der davor liegenden See, über der irgendwo ganz weit in der Ferne die feine Linie des Horizonts zu erkennen war, hat sich tief in mir verankert. Damit verbunden bleiben die sehnsüchtigen Gefühle, die ich als junger Mensch so intensiv empfand. 

Da hinten, wo Himmel und Meer sich trafen, schien mir die Welt versprochen zu sein – all das, was ich noch erleben sollte, jenseits des Jetzt, das mir damals oft so fad erschien.

Hier, auf diesem kleinen Stück Sandland, habe ich damals eine Form der Freiheit gefunden, die über die physische Begrenzung hinausging. 

Das Leben ist entweder ein gewagtes Abenteuer oder gar nichts.

Helen Keller 

Für mich ist der Horizont zu einem echten Symbol geworden. Weil er die Hoffnung weckt, dass die manchmal nicht genau zu greifende Sehnsucht nach „mehr“ einmal gestillt werden könnte. 

Der Horizont steht auch für Weitblick und die unermesslichen Möglichkeiten des Lebens. Wir sagen gerne: Blick doch mal über den Horizont hinaus! „Thinking out of the box“, hieß es früher in dem amerikanischen Unternehmen, in dem ich später gearbeitet habe. Einfach ist das bei aller Sehnsucht nach etwas Neuem nicht immer, denn es erfordert Mut zu Veränderung und Vertrauen und Bewegung. 

Der Blick auf den Horizont regt dazu an, über die eigenen Grenzen hinauszusehen. 

Der Horizont: Er markiert das Ende des Sichtbaren, das Ende des Bekannten und den Anfang des Unbekannten. Diese Grenze des Sichtbaren kann verschiedene Bedeutungen und Gefühle hervorrufen, insbesondere eben Sehnsucht. 

Philosophisch gesehen symbolisiert der Horizont die Grenzen unseres Wissens und Erkennens. Gleichzeitig steht er für das Potenzial und die Möglichkeiten jenseits dieser Grenzen. Der französische Philosoph und Autor Emmanuel Levinas betrachtete den Horizont als Metapher für das Unendliche und das Transzendente – stets jenseits unserer Reichweite, aber immer präsent, uns zu neuen Erkenntnissen anspornen.

Der Horizont kann auch die menschliche Sehnsucht nach dem Unbekannten und dem Unerreichbaren darstellen. Friedrich Nietzsche betonte die Bedeutung des ständigen Strebens und die Unzufriedenheit mit dem Erreichten als Triebkraft menschlicher Entwicklung und Kreativität. Diese unstillbare Sehnsucht treibt uns an, uns selbst und unsere Welt immer wieder neu zu entdecken und zu gestalten.

Niemand ist ohne Leiden, solange er im chaotischen Strom des Lebens schwimmt.

C. G. Jung

Fernweh, Sehnsucht, Hoffnung und Erwartung.

Psychologisch repräsentiert der Horizont Hoffnung und Erwartung. Er wird oft als Ziel wahrgenommen, das motiviert und inspiriert, da er etwas verspricht, das jenseits des Bekannten liegt. Diese Hoffnung und Erwartung sind zentrale Elemente in der menschlichen Erfahrung von Sehnsucht und Fernweh.

Der Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung betrachtete diese Sehnsucht als Teil des kollektiven Unbewussten, wo archetypische Bilder wie der Horizont tief verwurzelte Wünsche und Ängste darstellen. Der Horizont symbolisiert das Verlangen nach neuen Erfahrungen, Abenteuern und das Streben nach einem idealisierten Zustand oder Ort. 

Für Jung ist seelisches Leiden in erster Linie mit einem Fehlen von Lebenssinn verknüpft.

Wenn die Sehnsucht, dieses Verlangen nach einem „mehr“ seelisches Leiden ist, dann würde es nach Jung geheilt, indem wir bei uns selbst ankommen. 

Wer Heilung anstrebt, sollte sich daher auf die Auseinandersetzung mit Sinnfragen einlassen. Heilung bedeutet für Jung die Entwicklung von Bewusstheit und eine lebenslange Entwicklung hin zu einer Ganzheit. 

Sei bewusst und ganz. Aber wie?  

Bewusstheit bedeutet, ein tiefes Verständnis und eine klare Wahrnehmung der eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen zu entwickeln. Es geht darum, sich der inneren und äußeren Realität gewahr zu sein und diese reflektiert zu betrachten. Durch diese Selbstwahrnehmung wird es möglich, unbewusste Muster zu erkennen und bewusstere Entscheidungen zu treffen, die zur persönlichen Entwicklung beitragen.
Ganzheit bezieht sich auf den Zustand der inneren Vollständigkeit und Harmonie. Das bedeutet nach Jung, alle Aspekte des Selbst - das Bewusste und das Unbewusste, das Männliche und Weibliche, das Persönliche und das Kollektive - zu integrieren. Ganzheit ist ein lebenslanger Prozess des Wachsens und Reifens, bei dem man sich zunehmend selbst akzeptiert und in Einklang mit seiner wahren Natur lebt.

Du findest Frieden nicht, indem du die Umstände deines Lebens neu ordnest, sondern indem du erkennst, wer du im tiefsten Inneren bist.

Eckhart Tolle

Sinnfragen helfen dabei, die Idee von Bewusstheit und Ganzheit immer mehr zu in dein eigenes Leben zu integrieren. So wird Heilung möglich, oder in anderen Worten: Du hast weniger Sehnsucht nach etwas, das dir im Innen fehlt, weil du es immer mehr in dir findest. 

Ich lade dich ein, dir die folgenden Sinnfragen einmal ganz ernsthaft zu stellen. Nimm dir etwas Zeit dafür:

  • Was gibt meinem Leben Bedeutung?
  • Welche Werte und Überzeugungen sind mir besonders wichtig?
  • Welche Ziele verfolge ich und warum?
  • Welche inneren Konflikte oder ungelösten Themen belasten mich?
  • Wie kann ich meine Beziehungen zu anderen Menschen vertiefen und bereichern?
  • Welche Talente oder Fähigkeiten möchte ich weiterentwickeln?
  • Welche Lebenserfahrungen haben mich am meisten geprägt und warum?
  • Was sind meine größten Ängste und wie kann ich ihnen begegnen?
  • Welche Träume oder Visionen habe ich für meine Zukunft?

Die Höhle, die du zu betreten fürchtest, birgt den Schatz, den du suchst.

Joseph Campbell

Der Horizont steht somit nicht nur für die niemals endende Sehnsucht, sondern nun im Gegenteil als Hoffnungssymbol, den Sinn des Lebens zu finden, und zwar in dir selbst. 

Der Weg führt nach Innen. 

Damals, als ich als Teenager am Juister Strand saß und sehnsüchtig auf den Horizont starrte, hatte ich noch keine Ahnung davon, dass Glück im Innen und eben nicht im Außen zu finden ist. 

Damals wollte ich die Welt erkunden und wissen, was da noch alles auf mich wartete. Ich begann, die Welt zu erkunden, reiste herum in ihr und traf dabei auf viele spannende Menschen, die mir alle auf ihre Weise etwas mitgegeben haben. Diese intrinsische Neugierde auf das Abenteuer Leben mit all seiner und all seinen Erfahrungen wird in mir nie ganz zu einem Stillstand kommen. So glaube ich es jedenfalls heute. Allerdings erkenne ich für mich immer mehr, dass die Schönheit oft in den kleinen Dingen liegt und ich dafür gar nicht so weit reisen muss. 

Juist, mit seiner natürlichen Schönheit und ruhigen Atmosphäre, bietet eine einzigartige Gelegenheit, sich selbst zu begegnen und den eigenen Horizont zu erweitern. Die Kombination aus Rückzug, Einfachheit und der inspirierenden Kraft der Natur schafft ideale Voraussetzungen für persönliche und spirituelle Entwicklung. Hier kannst du in der Stille der Insel deine innere Stimme hören, neue Erfahrungen machen und den Mut finden, die Veränderungen anzugehen, die dich zu einem erfüllteren Leben führen.

Zum Schluss habe ich noch ein paar Anregungen für dich, um nie aufzuhören, deinen persönlichen Horizont lebenslang immer wieder zu erweitern: 

  1. Bleib offen für Neues! Bleib offen für neue Erfahrungen und Perspektiven. Reise, lies und begegne neuen Menschen und Ideen immer wieder mit kindlicher Neugier. 
  2. Was hat das mit dir zu tun? Nutze die Ruhe und die Natur, das geht auf Juist sehr gut, um immer wieder über deine eigenen Ziele und Träume zu reflektieren. Was könnte jenseits deines aktuellen Horizonts liegen?
  3. Sei achtsam mit dir und anderen und meditiere: Praktiken wie Achtsamkeit und Meditation können dir helfen, deine inneren Grenzen zu erkennen und sie zu überwinden. Der Horizont kann dir dabei als Visualisierungshilfe dienen, um dich auf das Unendliche und Mögliche zu konzentrieren.
  4. Setze dir Ziele: Konkrete Ziele helfen, den metaphorischen Horizont zu erweitern. Welche (kleinen) Schritte kannst du heute unternehmen, um dahin zu kommen, wo du wirklich hin möchtest?
  5. Tausch dich mit anderen aus! Suche den Austausch mit anderen, die ähnliche Sehnsüchte und Ziele haben. Gemeinsam lassen sich neue Horizonte oft leichter und schneller erreichen.

Wofür steht der Horizont für dich? Auf welche Weise hat er dich schon einmal angeregt, deinen eigenen Horizont zu erweitern? 

1 Gedanke zu „Der Horizont ist Sehnsucht.“

  1. Der Horizont ist für mich das Unendliche und eine Weite, die sich für mich am Horizont begrenzt, aber dennoch hineinführt ins Neue und Unbekannte.

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Katharina Schlangenotto

Ostwestfälin und Mallorca Residente, Yoga Teacher Trainerin aus Leidenschaft und ausgestattet mit der großen Stärke, das Leben von Menschen und Teams ganzheitlich und mit Leichtigkeit in Schwung zu bringen.

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